Schlaganfall-Folgeerkrankungen
Der Zweit-Schlaganfall
Die häufigste Folgeerkrankung eines Schlaganfalles ist ein neuer Schlaganfall (!)
Nach einem Schlaganfall ist vor einem Schlaganfall. Daher ist es besonders wichtig, dass Sie konkret wissen, welche besonderen Umstände in Ihrem Fall zu Ihrem Schlaganfall geführt haben. Ihr Krankenhausarzt hat Ihnen dieses sicher schon ausführlich bei Ihrer Entlassung erklärt und auch in seinem Arztbriefe begründet, was er über Ihren individuellen Schlaganfall herausgefunden hat. Eine auf Sie zugeschnittene Schlaganfallvorsorge kann aber nur funktionieren, wenn Sie die Ursachen, die zu Ihrem Schlaganfall geführt haben, nicht nur kennen, sondern auch behandeln (Was zum ersten Schlaganfall führt, ist oft auch die Ursache des zweiten, meist dann schwereren Schlaganfalls). Sie sollten von sich selbst zum Beispiel wissen:
Basis-Informationen, die jeder nach einem Schlaganfall bekommen hat:
- Ist mein Gerinnungssystem in Ordnung (Angeborene Störungen ausgeschlossen? Faktor V- Leiden? Thrombindefekt?PAI-Mutation usw.?)? Mit dem Alter wird das Gerinnungssystem „klebriger“. Angeborene Abweichungen, die in jungen Jahren „harmlos“ sind, führen im Alter zu Herzinfarkten, Schlaganfällen und Lungenembolien.(Nicht jeder bekommt einen Schlaganfall! Selbst bestimmte Blutgruppen sind mehr oder weniger betroffen (Blutgruppe „0“ hat ein geringeres Risiko) )
- Sind meine Gefäße vermehrt verkalkt? Wo habe ich konkret Stenosen (Engstellen)? Was muss wie kontrolliert und wann ggf. auch operiert werden?
- Stimmt mein Flüssigkeitshaushalt? Trinke ich täglich mindestens 2,5 Liter? – Wenn nein, habe ich gute Gründe dafür (Herzerkrankung /Ausfall der Nierenfunktion)? Kein „Durstgefühl“ (mehr) zu haben ist hier kein Grund um zu wenig zu trinken.
- Habe ich Herzrhythmusstörungen /Vorhofflimmern usw.?
- Hat mein Herz Defekte nach einem Herzinfarkt (Herzwandbewegungsstörungen)?
- Habe ich einen Bluthochdruck? Wenn ja – wie muss ich ihn behandeln und warum? Wann war meine letzte Langzeitblutdruckmessung? Ist sie ok?
- Habe ich Diabetes? Wie ist mein aktueller Hba1c-Wert?
- Habe ich eine erhöhte Harnsäure ?
- Habe ich meine persönlichen Risikofaktoren, die nur ich steuern kann, im Griff?
- Rauchen eingestellt – wenn nein, dann ist so etwas wie eine Prophylaxe durch Asprin-Einnahme zur Vorbeugung einfach Unsinn.
- Als Diabetiker: Trinke ich keinen Alkohol mehr? – Wenn doch, wie soll die Zuckereinstellung funktionieren, wenn ich unerwartet vorabgebauten Zucker (Alkohol) dem Körper zur Energiegewinnung bereitstelle?
- Gewicht reduziert? – Wenn nein, wie sollen meine Blutdruckmedikamente gegen die Wirkung meines „braunes“ Bauchfettes eine Chance haben?
- Trinke ich mindestens die notwendige Flüssigkeitsmenge (s.o.)? Wenn nein, wie soll die Gehirndurchblutung funktionieren ?
Ist meine (Vorsorge-) Therapie auch passend?
- Vor einer Medikamenteneinnahme kommt immer die Veränderung von Lebensumständen. Besonders schwierig ist, dass Medikamente sich untereinander beeinflussen. Medikamente werden daher individuell auf einen Patienten in dessen aktueller Lebenssituation vom Arzt zusammengestellt. Hier gilt „weniger ist mehr“ und Kombinationen von Medikamenten durch verschiedene Ärzte ergibt das Problem „Viele Köche verderben den Brei“. Grundsätzlich ist es die Verantwortung des Patienten, der mehrere Ärzte konsultiert oder der noch zusätzlich „gesunde Kräuter“ oder „Spurenelemente“ nimmt, alle Ärzte über alles, was er einnimmt zu informieren. Bei mehr als fünf Medikamenten ist wahrscheinlich Handlungsbedarf – also:
- Habe ich einen einzigen ärztlichen Medikamentenplan, auf dem alle Medikamente und frei gekauften Mittel stehen, die ich dann regelmäßig auch einnehme? (Ein Arzt kann nur Wirkungen und Medikamentenbeeinträchtigungen von Medikamenten beurteilen, wenn er auch alle Stoffe kennt, die dem Körper zugeführt werden.)
- Gegen was und wie genau wirken die Medikamente, die ich regelmäßig einnehme ?
- Weiß ich, warum ich diese Medikamente regelmäßig einnehmen muss?
- Weiß ich, dass ich sie bei Nebenwirkungen nicht einfach weglassen darf, sondern auch dieses bei meinem Arzt reklamieren muss, damit er Alternativen finden kann?
- Gibt es Medikamente, die ich zur Sicherheit selbst kaufe (Johanniskraut)?Wurden diese als Zusatzstoffe im Medikamentenplan berücksichtigt ?
Klären Sie vorab für sich ab, was Sie alles wissen. Wenn Sie dann dennoch Fragen oder Wissenslücken haben, dann melden Sie sich zu unserer Schlaganfallnachsorgesprechstunde an. Bringen Sie aber bitte Ihre Vorbefunde und Unterlagen mit. Wir werden gemeinsam versuchen zu verstehen, was den Schlaganfall ausgelöst hat und was als Vorbeugung zukünftig warum Sinn macht
Lohnt sich das für mich alles noch? Kaputt ist doch kaputt?
Nach einer Einblutung, einer Durchblutungsstörung (Hirninfarkt) oder einer Verletzung des Gehirns ist natürlich zunächst einmal definitiv Nervengewebe untergegangen. Das Nervengewebe des Gehirns muss man sich aber heute als flexibles Netzwerk vorstellen, das sich sogar aus sich selbst heraus (um-)programmiert. Das Einzige, was das Gehirn gut kann, ist lernen. Weiterhin erhält das Gehirn auch täglich neue Nervenzellen, die es neu vernetzen kann. Verstanden haben wir auch, dass Ökonomie keine Erfindung der Wirtschaftswissenschaften ist, sondern dass jedes lebende System sich ökonomisch sinnvoll verhält. Wenn keine Anforderungen an Leistung kommen, baut sich ein Leistungsbereich zugunsten anderer Bereiche zurück. Kommt aber Leistungsanforderung, kann auch (wieder) mehr geleistet werden. Hier funktioniert das Gehirn wie ein umgekehrter Schuhkarton: Je mehr schon gespeichert (erlernt) ist – desto mehr kann es noch speichern (erlernen). Wenn man aber etwas leisten will, muss man einen (An-)Reiz setzen und das auch üben. (Achtung: mühsam!)
Auch nach einem Verlust von Nervengewebe kann man durch „Anforderung“ im Netzwerk zunächst verloren geglaubte Leistungen kompensieren und wiederaufbauen (Richtung: bergauf). Aber durch mangelndes Üben kann man genauso noch weitere Verluste von Verschaltungen im Netzwerk, die nicht mehr angesprochen werden, einleiten (Richtung: bergab).
Es gilt inzwischen als erwiesen, dass z.B. Sprachtherapie nach einem Schlaganfall noch nach Jahren etwas bewirkt. Niemand würde also heute noch drei Monate nach einem Schlaganfall von einem „Endstadium“ reden. Es geht immer noch etwas – wenn der Betroffene es will.
Aber klar – es wird nicht wie vorher und Lernen ist nun einmal mühsam(!). Nach der „Reha-Behandlung“ ist also nicht Schluss, sondern das dort Erlernte muss täglich zu Hause weitergeführt und weiterentwickelt werden. Ziel muss es daher auch sein, im Beruf „weiter üben“ zu können. Heute ist daher das Ziel der Frühberentung nach Schlaganfall im Hinblick auf die Verbesserung der Fähigkeiten als kontraproduktiv zu sehen.
Sinn der Schlaganfall-Nachsorge ist es, den individuell richtigen Weg aufzuzeigen und zu begleiten, damit es nach dem Schlaganfall wieder weiter bergauf und nicht bergab geht.
Depression nach Schlaganfall ?
Natürlich gibt es depressive Menschen, die auch einen Schlaganfall bekommen können. Kommt die Depression aber erst nach dem Schlaganfall, dann ist dieser oft auch die Ursache. Das Gehirn ist ein Netzwerk, das sich mit großem Aufwand nach einem Schlaganfall wieder neu anpassen muss. Oft wird dann über die körperlich sichtbaren Defekte die seelische Belastung übersehen. Post-Schlaganfall-Depressionen reagieren oft nicht auf die üblichen Antidepressiva. Hier muss individuell geschaut werden, welche biochemischen Prozesse nach dem Schlaganfall auf eine medikamentöse Unterstützung reagieren werden. Manchmal muss man hier in enger Zusammenarbeit mit dem Betroffen experimentieren. Wichtig ist es, die Frühsymptome wie Antriebsmangel, Interesselosigkeit, Rückzug von Freunden und Bekannten nicht als „normal“ hinzunehmen, sondern das Problem zu erkennen und anzugehen.
Epilepsie
Die häufigste Epilepsie tritt nicht bei Kindern, sondern inzwischen bei alten Menschen auf. Der Schlaganfall ist eine wichtige Ursache der Altersepilepsie. In der Regel ist diese einfach zu behandeln. Das Problem ist, sie zu erkennen. Manche Patienten wirken nur depressiv oder gar auch zeitweise desorientiert, haben aber nur psychomotorische Anfälle und gelten sogar als dement.
Demenz
Schlaganfallpatienten haben einen Defekt im zerebralen Netzwerk. Oft ist der sichtbare Schlaganfall nur die Spitze eines Eisberges und das MRT deckt zusätzlich zahlreiche kleine Schlaganfälle auf. Diese werden oft von Nachbarzellen im Netzwerk „Gehirn“ kompensiert. Nur wenn der Nachbar vom Nachbarn, vom Nachbarn … nicht mehr funktionsfähig ist, dann läuft das System in das Leere = Demenz wird sichtbar. Daher ist eine gute Schlaganfallprophylaxe auch eine gute Vorbeugung gegen vaskuläre Demenz.
Gelenkbeschwerden
Nach der ersten Physiotherapie wird diese vielfach nicht weitergeführt. Das Gangbild durch die teilgelähmte Extremität verändert sich wieder, so dass Gelenke falsch belastet werden. Dieses führt dann über kurz oder lang zu Gelenkbeschwerden wie Knieschmerzen, Hüftbeschwerden oder Schulterschmerzen und auch Rückenschmerzen. Der ganze Körper wird verändert.
Post- Stroke-Schmerzen
Durch einen Schlaganfall kann auch der Regulationskreis des schmerzverarbeitenden Systems gestört sein (typisches Beispiel Thalamusinfarkt). Dann werden nomalerweise unterdrückte Körperwahrnehmungen ungefiltert dem Großhirn zur Bewertung angeboten. Dieses interpretiert dann oft falsch „Alarm = Schmerz“. Die Therapie ist aber hier dann genau so komplex wie bei einem chronischen Schmerzpatienten.